Die Menschheit ist von einer außerirdischen Superzivilisation besucht worden. Der sogenannte Besuch ist jetzt 13 Jahre her und in sechs Zonen sind Rückstände zu finden – unter anderen in Harmont, einer kleinen Stadt, in der sich die Geschichte abspielt –, mit denen sich das Internationale Institut für außerirdische Kulturen und seine lokalen Ableger beschäftigen.
Das Buch ist unterteilt in wenige, längere Kapitel. Eingestiegen wird Auszügen aus einem Interview, „das Doktor Valentin Pillmann anläßlich seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Physik im Jahre 19.. dem Sonderkorrespondenten von Radio Harmont gewährte“ (S. 7) und geht weiter mit persönlichen Geschichten. Hier wird mit Roderic Schuchart begonnen, der zu dem Zeitpunkt 23 Jahre alt ist, unverheiratet und Laborant in der Harmonter Filiale des Internationalen Instituts für außerirdische Kulturen. Daneben ist er Schatzgräber, also jemand, der sich ohne Erlaubnis in die Zonen begibt, um Artefakte zu sammeln und zu verkaufen. Wir begleiten Roderic ein Stück durch sein Leben als Laborant, als Schatzgräber, als Mann, als Ehemann, als Vater. Die Erzählweise wechselt von einer Ich- in eine Er-Erzählung. Anfangs wird die Geschichte aus der Sicht von Roderic erzählt. Bei mir hat der Wechsel zu einiger Verwirrung geführt.
Der Auszug aus dem Interview ist gewissermaßen eine Einleitung in die Thematik und die Welt, in der das Buch spielt. Vielleicht lag es daran, dass ich noch keinerlei Berührungspunkte mit Science-Fiction hatte, jedoch hat diese Einleitung doch noch viele Fragen offen gelassen. Erst im weiteren Verlauf der Geschichte wurden in Bezug auf die Welt und die Artefakte und ihre Bedeutung einige Dinge klarer, allerdings stellte sich gen Ende auch heraus, dass diese Details für den eigentlichen Inhalt des Buchs recht irrelevant sind. Denn letztlich ist dieses Buch, in meinen Augen, ein philosophisches Gedankenspiel, wie sich besonders den folgenden zitierten Passagen zeigt.
Entdeckt wurde der Radiant von einem Schüler, veröffentlicht wurden die Koordinaten von einem Studenten, nur benannt wurde er sonderbarerweise nach mir.
S. 7
Direkt zu Beginn und am Rande lese ich Kritik an der Wissenschaft: Dr. Pillmann berichtet davon, wie eine Entdeckung, die gar nicht seine war, nach ihm benannt worden ist. Solche Phänomene sind keine Seltenheit im wissenschaftlichen bzw. universitären Betrieb.
Das philosophische Gedankenspiel entfaltet sich jedoch später, als es um Vernunft und Instinkt geht:
Oder eine andere Definition, eine Hypothese: Vernunft ist ein vielschichtiger Instinkt, der sich noch nicht voll hat entwickeln können. Wobei zu bedenken ist, daß eine Instinkthandlung stets sinnvoll und natürlich ist. Eine Million Jahre werden vergehen, und der Instinkt wird so ausgebildet sein, daß wir keine Fehler mehr machen können – Fehler, die offensichtlich ein integrierender Bestandteil der Vernunft sind. Wenn sich dann aber im Universum etwas verändert, werden wir einfach aussterben, weil wir verlernt haben, Fehler zu machen, das heißt verschiedene, von dem starren Programm nicht vorgesehene Varianten durchzuprobieren.
S. 130
Weiters wird erörtert, ob und inwiefern Vernunft und Wissen in Beziehung stehen:
Das Unglück ist nur, daß der Mensch, wenigstens der Durchschnittsmensch, derjenige, den Sie im Sinn haben, wenn Sie von ‚unsereinem‘ reden, nur allzu leicht seinen Drang nach Wissen überwindet. Meiner Meinung nach gibt es ihn auch gar nicht. Es gibt einen Drang nach Verstehen, dazu aber bedarf es keines Wissens. Die Hypothese von Gott beispielsweise liefert die unvergleichliche Möglichkeit, absolut alles zu verstehen und dabei absolut nichts zu entdecken… Geben Sie dem Menschen ein Weltsystem, das auf ein Mindestmaß vereinfacht ist, und werten Sie jedes beliebige Ereignis auf der Grundlage dieses vereinfachten Modells. Ein solches Herangehen erfordert keinerlei Wissen. Einige angelerne Formeln plus sogenannte Intuition, sogenannte schnelle Auffassungsgabe und sogenannter gesunder Menschenverstand.
S. 130 f.
Im Zuge dieser Diskussion wird auch klar, woher das Buch seinen Titel hat:
„Wenn Sie selbst so einfache Dinge nicht wissen… na schön, zum Kuckuck mit der Vernunft, offenbar beißt sich sogar der Teufel die Zähne daran aus. Doch konkret zum Besuch, was halten Sie von dem Besuch?“
„Also meinetwegen“, erwiderte Pillmann, „stellen Sie sich ein Picknick vor…“
Nunnan zuckte zusammen.
„Was sagten Sie da?“
„Ein Picknick. Stellen Sie sich einen Wald vor, einen kleinen Pfad, eine Wiese. Vom Pfad biegt ein Auto zur Wiese ab, ein paar Burschen und junge Mädchen steigen aus, beladen mit Flaschen, Proviant, Kofferradios, Fotoapparaten… Sie zünden ein Lagerfeuer an, bauen Zelte auf, spielen Musik. Am nächsten Morgen dann fahren sie wieder ab. Die Tiere, Vögel und Insekten, die voller Furcht das nächtliche Treiben beobachteten, wagen sich aus ihren Verstecken hervor. Was aber entdecken sie? Auf der Wiese stehen Lachen von Kühlwasser und Benzin, kaputte Zündkerzen, und ausgewechselte Ölfilter liegen herum. Alles mögliche Zeug ist verstreut – durchgebrannte Glühbirnen, ein Zündschlüssel, den jemand verloren hat. […]“
„Ich hab’ verstanden“, sagte Nunnan, „ein Picknick am Wegesrand gewissermaßen.“
„So ist es. Ein Picknick am Rande eines kosmischen Weges. Sie aber fragen mich, ob diese Fremden zurückkommen oder nicht.“
S. 131 f.
Für den Grund des Besuchs gibt es eine Reihe an Theorien: dass er noch gar nicht stattgefunden habe, dass er noch ausstehe, dass Aliens den Menschen ein Muster seiner materiellen Güter zum Studieren gesandt haben, dass der Besuch noch gar nicht zu Ende sei, sondern noch anhalte und die Aliens die Menschen von den Zonen aus studieren (vgl. S. 133). Später kommt Richard H. Nunnan, Vertreter einer Elektronikfirma am Harmonter Institur für außerirdische Kulturen, jedoch zu dem Schluss, es handle sich nicht um ein Picknick am Wegesrand, sondern um eine Invasion (S. 146).
Ein Zitat ist mir im Gedächtnis geblieben:
Er wußte, daß Milliarden und Abermilliarden Menschen nicht die geringste Ahnung hatten und auch gar nichts wissen wollten. Und wenn sie davon erführen, würden sie zehn Minuten lang wehklagen, dann aber wieder zu ihrem gewohnten Denken zurückkehren.
S. 153
Getrost dem Motto ignorance is bliss. Und ist das nicht heute noch genauso?
Es ist immer wieder schön, in ein anderes Genre reinzuschnuppern, allerdings ist Science-Fiction wahrscheinlich in keinem Medium mein Genre. In diesem Fall wird auch ein recht kritisches Frauenbild gezeigt, was jedoch sicherlich auch der Zeit geschuldet sein dürfte.
Die Leseprobe
gibt es zum Beispiel bei Thalia: 🔗 Leseprobe Picknick am Wegesrand
Die Autoren
Arkadi Natanowitsch Strugazki (28.08.1925-12.10.1991) und Boris Natanowitsch Strugazki (15.04.1933-19.11.2012) waren sowjetische Schriftsteller, die gemeinsam eine Vielzahl an Romanen schrieben. Die Brüder wuchsen in Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg, auf. Arkadi floh 1942 mit seinem Vater während der Belagerung Leningrads, wobei sein Vater starb. Bei der Armee wurde er zum Japanisch-Dolmetscher ausgebildet. Später arbeitete er als Lektor und Übersetzer. Boris blieb während der Belagerung mit der Mutter in Leningrad, beide flohen erst, nachdem sie vom Überleben Arkadis Nachricht erhielten. Nach dem Krieg studierte er und arbeitete später als Programmierer. Die Brüder gelten als die bedeutendsten Autoren der sowjetischen Phantastik. Seit 1959 schrieben sie zudem Science-Fiction. Ihre Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und erschienen in einer Gesamtauflage von mehr als 50 Millionen Exemplaren.
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