Manchmal ist etwas Schwieriges schwierig, weil man es falsch macht.
Der Omega-Punkt erzählt die Geschichte des 37-jährigen Filmemachers Jim Finley, der Richard Elster, ehemaliger geheimer Kriegsberater der US-amerikanischen Regierung, für sein neuestes Filmprojekt gewinnen möchte und diesen in der amerikanischen Wüste besucht. Je mehr Zeit er dort verbringt, desto weniger wichtig wird ihm sein geplantes Projekt. Stattdessen lässt sich Jim auf die Natur, die Abgeschiedenheit des Ortes und die Gespräche mit Elster ein. Bis nach knapp zwei Wochen Elsters Tochter Jessie auftaucht, die nicht nur Elsters Laune hebt, sondern auch allmählich das Interesse von Jim weckt. Doch wird diese friedliche Stimmung eines Tages getrübt.
Eingerahmt wird das Geschehen von Finleys Besuch im MoMA, wo eine Installation Hitchcocks Psycho zeigt, allerdings so verlangsamt, dass der Film 24 Stunden dauert.
Die Themen
Der kurze Roman bezieht sich vor allem ganz offensichtlich auf den Omega-Punkt, End- und Zielpunkt in der theologischen bzw. philosophischen Betrachtung der Evolution durch Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955, Anthropologe und Philosoph) und Frank Tipler (*1947, Physiker). Dabei wird der titelgebende Omega-Punkt zwar mehrfach genannt, aber explizit nicht weiter behandelt. Nicht nur das bleibt ungelöst, auch der Verbleib von Elsters Tochter wird nicht aufgelöst.
Das Buch behandelt diverse Themen. Wenn man auf Elster und seine Rolle als Kriegsberater schaut, werden Tod, Verantwortung und Manipulationen thematisiert. Wenn wir den Blick auf Jim Finley werfen, geht es vor allem um die Zeit, um Kunst, um die Wahrheit: Gibt es denn „die Wahrheit“? Oder nicht eher Entwürfe der Wahrheit, verschiedene Versionen? Was ist Zeit, wie nehmen wir sie wahr, wie gehen wir mit ihr in der Kunst um?
Die Wirklichkeit steht, geht, sitzt. Außer wenn sie es nicht tut.
Alles in allem sind die Themen im Buch breit gefächert, gehen tief und sind nicht immer leicht zu identifizieren – außer man beschäftigt sich intensiv mit der Erzählung. Dadurch ist Der Omega-Punkt nicht unbedingt leichte Lektüre für Zwischendurch.
Der Schreibstil
Man kann es nicht anders sagen: Don DeLillo schreibt brilliant. Sein Stil ist hervorragend, fesselnd, sodass es schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen. Der Omega-Punkt ist geprägt von Ernsthaftigkeit, von Schwere, von Schichten über Schichten, in denen die Themen liegen und warten, aufgedeckt zu werden. Wer eine latente Endzeitstimmung mag und sich mittels Literatur gerne mit Gesellschaftskritik und philosophischen Themen beschäftigt, ist bei Don DeLillo genau richtig. Persönlich finde ich, dass das Buch unfassbar gut geschrieben ist – aber einfach nicht meins.
Die Leseprobe
gibt es hier: 🔗 Leseprobe Der Omega-Punkt
Der Autor
Donald Richard DeLillo wurde im November 1936 in New York geboren. Nach seinem Studium veröffentlichte DeLillo 1960 seine erste Kurzgeschichte. Heute schreibt er Romane, Kurzgeschichten, Dramen, Drehbücher und Essays und zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Amerikas. Für seine Werke hat er bereits mehrere Preise erhalten, unter anderem den National Book Award (1992 für Weißes Rauschen und 2015 für sein Lebenswerk) und den PEN/Faulkner Award (1992 für Mao II). Zu seinen literarischen Einflüssen zählen James Joyce, William Faulkner und Ernest Hemingway, aber auch Jazz-Musik habe sein Schreiben beeinflusst. DeLillos Werk weist sowohl Elemente des Modernismus als auch des Postmodernismus auf. Die Themen, die DeLillo behandelt, reichen von Mathematik, der Komplexität von Sprache über Politik hin zum digitalen Zeitalter.
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